Das hätte böses Blut geben können. Doch Max war in unserem gemeinsamen Interview mit seinem Labelpartner Moritz glücklicherweise gnädig mit mir. Die Einschätzung, meine Geburtsstadt Nürnberg sei keine Fashion Hochburg, konterte Max nämlich sehr gelassen mit einigen sehr nachvollziehbaren Argumenten. Dabei steht das Label der beiden, ATF, doch schon sinnbildlich für den kreativen Freiraum, den die beiden sowie weitere tolle Künstlerinnen und Künstler momentan im Nürnberger Stadtteil Gostenhof genießen und vor allem nutzen können.
Seit 2012 werkeln Max Crämer und Moritz Lorenz an ihrem eigenen Modelabel und wollen dabei ultra wearable sein. Schaffen bei beiden auch, wie ein Blick nicht nur in das aktuelle Spring/Summer 2015 Lookbook verrät, sondern auch ihre gesamte Kollektion. Männer, die modische Lässigkeit bei hohem Tragekomfort gepaart mit ordentlichem Understatement suchen, sind bei ATF definitiv richtig. Von T’s über den klassischen Crew Neck aus Organic Cotton bis zur 5-Panel-Cap bieten die beiden alles an, was Männerherzen höher schlagen lässt. Im Gespräch mit den beiden wollte ich nicht nur wissen, wie die Gegenwart aussieht, sondern auch welchen Weg sie in Zukunft mit ATF einschlagen wollen, denn: Gänzlich grün ist das Label leider noch nicht.
Alf: Ein gemeinsames Label zu gründen bedeutet ja auch, zwangsläufig viel Zeit miteinander zu verbringen. Was schätzt ihr an euch und was geht euch vielleicht auch ab und an mal tierisch auf die Nerven?
Moritz: Ja, wir verbringen schon viel Zeit miteinander. Wir ergänzen uns sehr gut, weil wir beide aus völlig verschiedenen Bereichen kommen. Max kommt nämlich ursprünglich aus dem Handel, ich aus dem Design. Das ist schon mal die perfekte Grundlage, um ein Label zu gründen und zu etablieren.
Alf: Mit Sitz in Nürnberg, meiner Geburtstagsstadt, habt ihr euch nicht unbedingt eine Fashion Hochburg ausgesucht. Was findet ihr an Nürnberg und dem Stadtteil Gostenhof dennoch spannend?
Max: Nürnberg ist eine ziemliche Fashion Stadt: wir haben hier mindestens fünf Concept-Stores. Oder Adidas und Puma sind nur wenige Kilometer entfernt. Ich glaube, dass man in Nürnberg (beispielsweise im Vergleich zu Berlin) noch die Möglichkeit hat, etwas Neues zu starten. In Gostenhof sind aktuell die Mieten noch relativ günstig und ein Großteil der Kreativen arbeiten in unserer Nachbarschaft.
Alf: Okay, ich revidiere mein Urteil (lacht). Für alle, die Nürnberg nur durch den Umstieg im Bahnhof kennen: Wen aus eurer Nachbarschaft sollte man kennen, mit wem würdet ihr vielleicht auch gerne zusammenarbeiten (oder macht das bereits)?
Max: Auf jeden Fall sollte man unsere Nachbarn vom Newseum by Crämer & Co kennen, die von Anfang an mit am Start waren. Und die Kaffeerösterei Machhörndl, mit denen wir eine Kaffeemischung „entwickelt“ haben. Und den Designer Philipp Zurmöhle, der direkt gegenüber sein Büro hat. Und als Geheimtipp: Leos, ein kleiner italienischer Kiosk mit der besten Pasta in Gostenhof. Aktuell würden wir gerne mit dem Flaschenhersteller MiiR eine Kollaboration machen.
Alf: Wie entstanden die ersten Produkte für eure Premierenkollektion?
Moritz: Wir sind viel gereist, waren auf vielen Messen unterwegs und haben uns mit vielen Leuten aus Kunst, Design und Mode ausgetauscht. Wir haben lange an unserer Story und Ästhetik gearbeitet: unser Ziel ist es Formal Streetwear zu entwerfen. Schick, aber mit sportlichem Charakter. Simpel und zurückhaltend, aber mit Details. Ultra wearable sollte es sein. Zum Beispiel unsere Move Stitches auf der Cuff Pants, V-Zip Openings am Riley Hooded.
Alf: Ihr achtet bei eurer Produktion auf „Made in Europe“, verwendet aber z.B. keine Bio-Baumwolle. Welchen Weg wollt ihr in Zukunft einschlagen?
Max: Wir wollen uns mit den Fabrics nicht einschränken. Wir arbeiten eng mit unseren Produzenten in Griechenland und Portugal zusammen und achten auf faire Arbeitsbedingungen und Löhne. Mindestens zweimal im Jahr sind wir selbst vor Ort. Manche Kleidungsstücke zum Beispiel der Standard Crew Neck ist aus Organic Cotton.
Alf: Keine Einschränkung klingt im Sinne der Kreativität natürlich erst einmal gut. Wie seid ihr auf die beiden Produzenten gekommen, mit denen ihr jetzt zusammenarbeitet? Was zeichnet die beiden aus, wieso passen sie zu ATF? Strebt ihr Zertifizierung o.ä. an?
Max: Wir beobachten aktuell das ganze Thema der Zertifizierungen, weil es meiner Meinung nach noch nicht ausreichend transparent ist. Private Kontakte haben mir die beiden Produzenten empfohlen und waren zufrieden damit. Unser Produzent in Griechenland produziert beispielsweise seine Stoffe selbst. Dadurch haben wir bei ATF viele Möglichkeiten, unsere eigenen Stoffe zu entwickeln. Unser Produzent in Portugal ist ein ziemlicher Allrounder: aktuell machen wir aber nur unsere Hosen dort.
Alf: Auf was können wir uns modisch noch so alles aus dem Hause ATF freuen?
Moritz: Wir starten für die Spring/Summer 2016 Kollektion unter anderem mit Jacken, die ziemlich geil werden. Und ein fetter Online Shop, den wir dieses Jahr noch launchen. Man darf auf jeden Fall gespannt sein!
Alf: Zu guter Letzt: Was ist euer liebstes Kleidungsstück und warum?
Max: Lawrence Cuff Pants – ein Beispiel für unsere Brand Ästhetik. Sportlich, aber zugleich schick.
Moritz: Das Longsleeve „Walter„: der Schnitt ist einfach perfekt. Inspiriert von einem Trikot. Erst auf den zweiten Blick erkennt man die Details.
Alf: Und abgesehen von euren ATF-Lieblingsstücken? Was ist für euch modisch unverzichtbar
Moritz: Sneakers …
Max: … und Cuff-Pants.
Alf: Danke euch beiden für das Interview – und ich bin gespannt, was ihr Anfang Juli auf der SEEK in Berlin alles zeigen werdet!
Interview/Text: Alf-Tobias Zahn
Fotos: ATF