Schlangenbader Straße

Wie lebenswert wäre Berlin, wenn es nicht überall diese Straßen und Autos gäbe? Auf den vielen Touren, die René und ich in den letzten Jahren für Doppelzett gemacht haben, haben wir uns bis auf eine Ausnahme – letztes Jahr für LOVECO – immer auf unsere Räder gesetzt und sind an die Orte gefahren, die wir portraitieren wollten. Nicht nur in unserer Neukölln Reportage rund um die Verlängerung der A100 geht es auch immer darum, wie Menschen die Stadt formen und wie sehr die Menschen von ihr wiederum geformt, wenn nicht sogar deformiert, werden. Ein Wechselspiel ohne Ende. Dazu passt die viel zitierte Aussage des ehemaligen Berliner Oberbürgermeisters Richard von Weizsäcker: „Wenn der Teufel dieser Stadt etwas Böses antun will, lässt er noch einmal so etwas wie die ,Schlange’ bauen.“ Jetzt wissen wir, dass dieser Stadt durch ganz andere Dinge (Deutsche Wohnen, Mietenwahnsinn, organisierte Verdrängung) Böses angetan wurde. Die Schlange ist das Kind einer sehr ulkigen, autophilen Zeit – ein städtebaulicher Dinosaurier, der noch unter uns weilt.

Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße

Die „Schlange“ in Wilmersdorf

In den 1970er Jahren erdachten die Architekten Georg Heinrichs, Gerhard Krebs und Klaus Krebs im eingeschlossenen West-Berlin dieses nahezu einzigartige Bauwerk mit über 1.000 Wohneinheiten mit 150 verschiedenen Grundrissen und 10.000 Quadratmeter Gewerbefläche (von denen die Hälfte aktuell leer stehen). Geliebt und gehasst zugleich war die Überbauung die Reaktion auf eine herrschende Wohnungsnot in den 1970er Jahren, da es einfach keine freien Flächen im Stadtgebiet gab, die bebaut hätten werden können. Der zum Teil überbaute Seitenarm der A100 ist sogar nur 600 Meter kurz und bildet dennoch ein absolutes Novum.

Wer einmal in der Schlange lebt, der bleibt auch dort. Das durchschnittliche Alter der Bewohner*innen ist hoch, die Fluktuation der Mieter*innen findet zur Hälfte innerhalb der Schlange statt – welcher Hauseigentümer kann das schon von einem seiner Objekte behaupten. Neben den Einheiten über der Autobahn wurden noch über 600 weitere Wohnung am Rand bebaut – weit über 3.000 Menschen leben und arbeiten in diesem einzigartigen Berliner Mikrokosmos.


Die Schlange ist immer einen Besuch wert. Neben den rein architektonischen und fotografischen Gründen haben uns vor allem die Menschen vor Ort erfreut. Freundlich grüßen und einen kurzen lustigen Schnack machen – wir sind auf Gleichgesinnte getroffen, die Lust hatten, aus diesem Mikrokosmos zu berichten.

Happy Garten Restaurant

Kein Happy End für „Happy Garten“

Die Geschichte über das chinesische Restaurant „Happy Garten“ hat uns eine Bewohnerin erzählt. Seit 20 Jahren haben die Besitzer an der Ecke Schlangenbader Straße / Wiesbadener Straße ihr Restaurant. Dann kam die Corona Pandemie und der erste Lockdown. Sie sei gerne abends nach ihrer Schicht noch im „Happy Garten“ gewesen, so unsere Erzählerin. Etwas Kleines essen, ein kurzes Gespräch, den Tag ausknipsen können. Das Ende des ersten Lockdowns wurde noch gefeiert, nach dem zweiten Lockdown war dann Feierabend. Das „Happy Garten“ musste schließen und steht nun, vollständig eingerichtet und gefühlt auf die nächsten Gäste nur wartend, als Sinnbild für das Gastronomische und Zwischenmenschliche, das in der Pandemie kaputt gegangen ist.


Kleidung

Immer wieder stelle ich mir die Frage, wie ich im Blog auf der einen Seite sinnvolle Werbung für faire Labels machen kann und auf der anderen Seite keinen sinnlosen Konsum propagiere. Denn: Jedes nicht gekaufte Kleidungsstück ist eigentlich ein gutes Kleidungsstück – egal ob Slow oder Fast Fashion. Ich habe mich an einem bestimmten Punkt dafür entschieden, gute Marken, die mich persönlich überzeugen, vorzustellen. Auch mit ihren neuen Kollektionen. Wie zum Beispiel von meinen Freunden von Hafendieb aus Hamburg.

Gleichzeitig gibt es aber auch Evergreens aus meinem Kleiderschrank, die ich mir im Laufe der letzten Jahre selbst gekauft habe und regelmäßig trage. Von Marken, die mich seitdem durch ihren unternehmerischen Ansatz, ihren Stil und die Langlebigkeit der Kleidungsstücke überzeugen. Wie zum Beispiel dedicated, Kings of Indigo und Armedangels.

Deswegen besteht die modische Zusammenstellung in dieser Reportage aus neuen und eigenen Sachen:


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Fotos: René Zieger

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