Warum gehört Pfand daneben?

Vielleicht kennt ihr das Verhalten von euch selbst: Man vergisst seine Trinkflasche zuhause oder hat unterwegs Lust auf einen anderen Geschmack. Also rein in den Späti oder Supermarkt und ein Getränk gekauft. Nach erfolgter Erfrischung stellt sich dann die Frage: Wohin mit der Pfandflasche? Selten wandert sie dabei in den eigenen Jutebeutel oder in den Rucksack. Ich stelle die Flasche immer neben einen Mülleimer (in Berlin meistens darunter, da die orangenen Eimer in Griffhöhe hängen). Doch warum eigentlich? Warum gehört Pfand daneben?

Bevor ich die Frage beantworten möchte, einige Fakten:

  • Das Flaschenpfand wurde in Deutschland 2003 eingeführt
  • Das Pfand pro Flasche beträgt zwischen 8 und 25 Cent
  • Das flächendeckende Sammeln von Pfandflaschen begann zum Sommermärchen 2006, der WM in Deutschland
  • Jeden Tag sind tausende Flaschensammler*innen auf den Beinen, um sich etwas dazu zu verdienen

Flaschensammeln als notwendiger Zuverdienst

Wer sind diese Falschensammler*innen, die ich auch in Neukölln regelmäßig sehe? Die am Wochenende sehr früh durch die Straßen ziehen und leere Pfandflaschen suchen, die die Feierwütigen in der Nacht stehen gelassen haben. Die auch unter der Woche mit Taschenlampen die Mülleimer durchleuchten oder auf gut Glück mit der Hand in die Mülleimer nach einer Flasche suchen. In seiner Reportage „Für eine Handvoll Euro“ stellt Frederik Rother im Deutschlandfunk unter anderem Hajo (78) und Ingrid (75) vor. Die beiden sammeln, so Rother, seit 3 Jahren regelmäßig Pfandflaschen. Manchmal mit dem Trolley, manchmal auch mit dem Auto. Beide bekommen keine hohe Rente, können dank Genossenschaftswohnung günstiger wohnen. Große Sprünge sind für die beiden nicht machbar, erzählt Rother. Das Pfand als Zuverdienst – nur ein Beispiel für die Beweggründe des Flaschensammelns.

Leergut schleppen, in Müll wühlen, die Blick ertragen – so leitet Malte Rohwer-Kahlmann den Beitrag für die Deutsche Welle über seinen Selbstversuch ein (Reportage „1 Euro, 38 Cent“). Er geht selbst auf die Jagd nach de Pfand und erläutert in seiner Reportage sehr anschaulich, mit was Falschensammler*innen tagtäglich konfrontiert werden. Müll durchsuchen auf offener Straße kostet ihn Überwindung, ruft ganz unterschiedliche Assoziationen auf und ist letztlich eine Arbeit, der viele Menschen tagtäglich in Deutschland nachgehen.

Flaschensammler definieren sich über ihre Arbeit als jemand, der noch arbeitet und der noch dazugehört. Das ist eine Aufwertungsstrategie, die auch oft aufgeht.

Soziologe Dr. Alban Knecht

Rohwer-Kahlmanns für mich überraschendes, aber logisches Fazit nach seinem Tag: Die Menschen, die unseren Müll nach 8 bis 25 Cent Pfand durchsuchen, sind keine Außenseiter. Sie sind viele und machen das, weil sie dazugehören wollen. Sie wollen mehr bekommen als Hartz IV, sie wollen mehr bekommen als die doch zu geringe Rente, sie wollen etwas machen. Eigentlich sehr beeindruckende Biografien.

Non-Profit Kollektion „SoFair“

Unter dem Motto „SoFair“ (sozial und fair) hat die fritz-kola-Initiative „Pfand gehört daneben“ zusammen mit meinen Freunden und dem Streetwear Labelisten von „Hafendieb“ eine Non-Profit T-Shirt Kollektion entworfen. Der gesamte Erlös wird an soziale Projekte für FlaschensammlerInnen, sowie Wohnungslose und Obdachlose gespendet. Ergänzend zum Verkauf werden die T-Shirts in Hamburg und Berlin an Obdachlosenprojekte verteilt.

Models für die Kollektion sind Pfandsammler Michael und Sozialarbeiterin Anke Beceral. Die beiden kennen sich durch Ankes Arbeit im Hamburger JesusCenter e.V., eine der durch den Erlös der Kollektion begünstigten Einrichtungen. Hier erhalten bedürftige Menschen täglich warme Mahlzeiten und ihnen wird eine umfassende soziale Beratung ermöglicht. Wie wichtig solche Orte sind, weiß Michael aus eigener Erfahrung. Er wurde im JesusCenter vor den Folgen einer Blutvergiftung bewahrt: Auf der Suche nach Pfandgut verletzte er sich an einem Mülleimer, ließ sich aber nicht schnell genug behandeln. Erst eine aufmerksame Mitarbeiterin wies ihn auf die mögliche Gefahr hin. Seine Geschichte von einem persönlichen Miteinander, Aufmerksamkeit und Hilfe trägt Michael nun als Botschaft bei seinen täglichen Rundgängen auf der Brust. Denn Pfand gehört daneben!

Die soziale Shirt-Kooperation beinhaltet drei verschiedene Motive, die sowohl in schwarz oder auch weiß erhältlich sind. Sie können für 20 € im Hafendieb-Onlinestore erworben werden.

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