Deutschland hat seit 2023 ein Lieferkettengesetz, das eigentlich ein Meilenstein sein sollte: Endlich müssen große Unternehmen prüfen, ob entlang ihrer globalen Lieferketten Menschenrechte verletzt werden. Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Diskriminierung – all das sollte nicht mehr unter dem Radar passieren dürfen.
Doch eine neue interne Weisung aus dem Bundeswirtschaftsministerium droht, diesen Fortschritt rückgängig zu machen.
Was ist passiert?
Wie die Rechercheplattform FragDenStaat berichtet, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die Kontrollpraxis des Lieferkettengesetzes deutlich abgeschwächt. Demnach soll das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das die Einhaltung des Gesetzes überwacht, künftig nur noch besonders schwere Menschenrechtsverstöße sanktionieren.
Das bedeutet: Solange Verstöße nicht „gravierend“ oder „weitreichend“ sind, müssen Unternehmen keine Bußgelder befürchten – auch wenn sie gegen Sorgfaltspflichten verstoßen. In der Praxis könnte das heißen: Ein bisschen Kinderarbeit? Kein Fall fürs BAFA.
Warum ist das problematisch?
Das Lieferkettengesetz sollte eigentlich präventiv wirken. Unternehmen müssen Risiken erkennen, analysieren und vermeiden – bevor Menschen zu Schaden kommen.
Durch die neue Weisung wird diese Logik auf den Kopf gestellt: Erst wenn ein Schaden nachweislich eingetreten ist, kann überhaupt gehandelt werden.
Jurist:innen wie Lisa Pitz von der Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) kritisieren das scharf. Die Regierung könne per Verwaltungsanweisung nicht einfach den Geltungsbereich eines vom Bundestag beschlossenen Gesetzes verändern. Menschenrechtsorganisationen warnen, das BMWK setze damit ein gefährliches Signal – nämlich, dass wirtschaftliche Interessen über grundlegende Rechte gestellt werden dürfen.

Warum ist das nicht egal?
Wenn Kinderarbeit, Zwangsarbeit oder Ausbeutung in Lieferketten als „Kollateralschaden“ toleriert werden, verlieren Gesetze wie das Lieferkettengesetz ihre Glaubwürdigkeit. Und es geht nicht nur um Ethik – sondern auch um Fairness im Wettbewerb. Wer billig produziert, weil andere leiden, verschafft sich Vorteile gegenüber Unternehmen, die sich an Regeln halten.
Transparenz, Verantwortung und Kontrolle sind keine Schikane, sondern das Fundament einer nachhaltigen Wirtschaft. Wenn der Staat diese Prinzipien aufweicht, leidet nicht nur die Menschenrechtslage, sondern auch das Vertrauen in Politik und Unternehmen.
Verantwortung darf nicht verhandelbar sein
Das Lieferkettengesetz war ein mühsam errungener Kompromiss. Wenn die Regierung nun den Vollzug so stark beschränkt, dass Verstöße folgenlos bleiben, entwertet sie das Gesetz selbst. Wer von „Entbürokratisierung“ spricht, sollte nicht verschweigen, dass es hier um Menschen geht – um Kinder, die schuften statt zur Schule zu gehen, um Arbeiter:innen, die unter gefährlichen Bedingungen leben müssen.
Ein bisschen Kinderarbeit ist nie okay. Und eine Regierung, die das anders sieht, muss sich die Frage gefallen lassen, wessen Interessen sie wirklich schützt.
Fotos von Foto von Vikram Aditya auf Unsplash sowie Francois Le Nguyen auf Unsplash.