»Bio-Unterwäsche in sexy« Thomas Vatter im Interview

Als ich die erste Mail von Tom im Postfach hatte, überzeugt mich das, was er mir über VATTER schrieb und zeigte auf Anhieb. Als ich dann „Tight Tim“ selbst in Händen halten und anziehen konnte, wären spätestens dann alle Zweifel verflogen gewesen (wenn ich welche gehabt hätte). Umso mehr interessierte mich, was Tom geritten hat, ausgerechnet in den hart umkämpften und mit Vorurteilen behafteten Unterwäschemarkt einzusteigen – und dann auch noch auf „bio“ zu setzen.

VATTER | Cotton with attitude | Unterwäsche | München | Foto: VATTER Fashion | GROSSARTIGAlf / Thomas, was hat dich dazu bewegt, dein eigenes Modelabel zu gründen und dabei auch noch auf Unterwäsche zu setzen?

Tom / Geboren wurde die Idee zu VATTER eigentlich aus der Not heraus. Ich fand es nämlich lange Zeit sehr schwer qualitativ hochwertige Boxer Short mit einem ansprechenden Design zu finden. Dadurch entstand vor einigen Jahren die vage Business-Idee selbst Boxer Shorts zu machen und über das Internet zu vertreiben. Nachdem eine andere Geschäftsidee dann den Vorzug erhielt, landete die Boxer Short Idee für einige Zeit in der Schublade.
Nachdem das andere Projekt 2013 verkauft wurde, holte ich die Boxershort-Idee wieder hervor und befasste mich wesentlich genauer mit der Materie „Textilindustrie“.

A / Und das hat dich nicht abgeschreckt?

T / Das hier leider verdammt viel falsch läuft war mir schon länger klar und daher war eine hochwertige und faire Produktion aus eigener Überzeugung heraus grundlegende Voraussetzung für mich. Wenn man sich dann genauer mit der Branche befasst ist der „Bio“-Gedanke eigentlich unausweichlich, insbesondere wenn es sich um Baumwolle handelt und man sich die Unterschiede zwischen konventionellem und biologischen Anbau vor Augen führt. Da war mir recht schnell klar, dass man gerade bei Unterwäsche, die man ja immerhin täglich direkt auf der Haut trägt, darauf achten sollte was da alles drin steckt. Somit war mir also klar, wenn ich Unterwäsche mache, dann muss die eben bestimmte Grundanforderungen erfüllen: Fair produziert, frei von Schadstoffen und hohe Qualität.

»Wenn „Bio“, dann auch richtig«

A / VATTER hat es sich auf die Fahnen geschrieben, „bio“ und „sexy“ zu vereinen. Gar nicht so einfach in einem ziemlich umkämpften Markt, oder?

T /  Ich habe ich mir den Unterwäsche Markt selbstverständlich genau angeschaut und festgestellt, dass es da ja schon die ein oder andere Marke gibt. Wenn man jetzt nicht gerade Heidi Klum heißt, ist es also eher fragwürdig, ob man jetzt noch ein weiteres Unterwäsche-Label gründen will. Betrachtet man aber dann das Segment „Bio-Unterwäsche“ schaut das ganz anders aus. Hier ist das Angebot doch recht überschaubar, was einen aus den oben genannten Gründen dann doch etwas überrascht. Und der Großteil der Bio-Unterwäsche-Labels legt zwar viel Wert auf „bio“, vergisst dabei aber das Design. Zum Teil vielleicht auch bewusst. Um eine breitere Zielgruppe anzusprechen und Bio-Unterwäsche sozusagen „salonfähig“ zu machen, ist unsere Meinung nach aber beides notwendig: Die ökologischen Kriterien müssen erfüllt sein, aber die Unterwäsche muss auch einen gewissen „Modegrad“ aufweisen. Und da sahen wir doch einen erheblichen Nachholbedarf auf dem Markt und eben auch das Potential für uns. So kamen wir also zu dem Entschluss jetzt Bio-Unterwäsche in sexy zu machen.

A / Dabei seid ihr sehr konsequent vorgegangen.

T / Bei der Konkretisierung der Idee war mir von Anfang an klar: Wenn wir das machen, dann aber auch richtig. Also wenn „Bio“, dann richtig Bio. Sprich: es reicht eben nicht aus, nur Bio-Baumwolle zu verwenden, das macht H&M inzwischen auch. Es muss schon in der gesamten Produktionskette ökologisch gearbeitet werden, denn was hilft mir die tollste Bio-Baumwolle wenn ich den Stoff dann zum Beispiel mit Chemikalien färbe. Und da „Bio“ ja keine geschützter Begriff ist, wird da, meiner Meinung nach, momentan in der Branche schon sehr viel getrickst, wie in der Lebensmittelindustrie ja auch. Daher stand für uns schnell fest, dass wir eine ökologische und faire Produktion nur durch eine Zertifizierung sicher stellen können. Unserer Meinung nach ist da GOTS die erste Wahl, da der Standard eben nicht nur ein sehr hohes Niveau an Umweltkriterien umfasst, sondern auch Sozialstandards. Klar kann man sich auch hier nicht zu 100 Prozent sicher sein, denn wer es wirklich will, findet hier bestimmt auch Wege zu tricksen, aber: GOTS bietet momentan zumindest die größtmögliche Sicherheit und Abgrenzung von den „schwarzen Schafen“.

A / Euch war allerdings nicht nur das Produkt an sich wichtig, sondern auch die Aufmachung – sehr gut an eurer „V-Box“ zu erkennen.

T / Ja, richtig. Das „wenn, dann richtig“ spiegelt sich auch in unserer Verpackung wieder. Zum einen legten wir viel Wert auf die ökologischen Anforderungen, die zum Teil ja auch durch GOTS eingefordert werden. Bei einigen grünen Labels ist es hier nämlich relativ schnell mit dem „grün“ vorbei. Neben dem 100 Prozent Recycling-Material war die Anforderung, komplett ohne Kunststoff auszukommen. Hier ist es ähnlich wie mit der Bio-Baumwolle: Ein Recycling-Karton ist toll, aber wenn ich da dann ein Sichtfenster und einen Aufhänger aus Plastik dran mache und diesen auch noch schön mit Tesa-Film zuklebe, dann macht das ökologisch auch wieder keinen Sinn. Der Druck mit Farben auf Gemüsebasis ist dann nur die logische Konsequenz. Aber neben dem ökologischen Aspekt war uns eben auch das Design der Verpackungen extrem wichtig. Meiner Meinung nach kann ich eine Unterhose, die über 30 Euro kostet, nicht in eine billige Faltschachtel stecken. Das Gesamtpaket muss stimmen und dazu gehört eben dann auch eine etwas aufwendigere Verpackung die etwas her macht.

»Gerade bei der Produktentwicklung ist ein enger Austausch und eine gute Kommunikation mit den Produzenten wichtig«

A / Weshalb habt ihr euch dafür entschieden, in Familienbetrieben in Griechenland und in der Türkei produzieren zu lassen?

T / Die Wahl der Produktionsstandorte hat auch mehrere Facetten. Im Endeffekt war das ein mehrstufiger Prozess: Grundvoraussetzung war die GOTS-Zertifizierung des Produzenten. Die gibt es aber inzwischen im Endeffekt überall auf der Welt. Für uns war es aber entscheidend, die Produktion am Anfang nicht zu weit weg zu haben. Ich bin jetzt niemand, der die Textilproduktion in Fernost per se verteufelt. Ich glaube, dass es auch in China, Bangladesh oder Indien inzwischen möglich ist, fair und ökologisch zu produzieren. Aber aufgrund der extrem niedrigen sozialen Standards in diesen Ländern ist es, denke ich, schon schwerer das zu garantieren. Ausschlaggebendes Argument war für uns aber von Anfang an, die Produktion in „Schlagdistanz“ zu haben. Gerade am Anfang bei der Produktentwicklung ist ein enger Austausch und eine gute Kommunikation mit den Produzenten extrem wichtig. Und das ist mit Produzenten in Europa (normalerweise) halt wesentlich einfacher. Auch weil man zum Beispiel nach Griechenland relativ schnell fliegen kann und Sachen vor Ort klären kann. Mit einem Produzenten in Bangladesh ist das nicht so leicht möglich.

A / Das erklärt erst einmal die Verortung in Europa, aber warum gerade Griechenland und die Türkei?

T / Für Textilien, insbesondere wenn es um Bio-Baumwolle geht, gibt es halt ein paar Regionen, auf die sich das recht stark konzentriert: Das ist allen voran sicherlich die Türkei, aber auch in Griechenland, Portugal und in Teilen Osteuropas sitzen viele Produzenten. Wenn es dann aber speziell um Unterwäsche geht, wird die Auswahl schon geringer. Wir haben uns dann einige Firmen in der Türkei und Griechenland angeschaut und auch Samples anfertigen lassen. Die Entscheidung basierte dann auf mehreren Faktoren. Der Preis war dabei gar nicht mal so ausschlaggebend, denn da waren die Unterschiede nicht so gravierend. Im Endeffekt war es natürlich die Qualität der Samples und aber auch viel Bauchgefühl. Zum einen mussten wir das Gefühl haben, das sie eine konstant hohe Qualität liefern können, zum anderen wollten wir aber auch keine zu große Firma. Als neues Label ist man meiner Meinung nach besser beraten sich einen Produzenten zu suchen, der zusammen mit einem wachsen will, denn hier ist da Engagement viel größer. Sympathie spielte auch eine große Rolle und in den beiden Firmen, die wir letztendlich ausgewählt haben, fühlten wir uns von Anfang an sehr wohl. Die Kommunikation mit ihnen ist extrem gut und sie haben uns insbesondere bei der Produktentwicklung super unterstützt.

A / Warum dann zwei Produzenten – konntet ihr euch einfach nicht entscheiden oder spielten andere Faktoren eine Rolle?

T / Die Verteilung auf zwei Produzenten hat mehrere Gründe. Hauptsächlich ist es eine gewisse Risikostreuung. Wie schon erwähnt sind beides noch relativ kleine Firmen, und sowohl in Griechenland  als auch in der Türkei, ist es nicht so unwahrscheinlich, dass solche Firmen auch mal hops gehen können. Zum anderen waren die griechischen Produzenten etwas besser bei den Frauen-Modellen und die Produzenten in der Türkei bei den Männern. Insbesondere bei den Web Boxer Shorts sind die Türken schwer zu übertreffen, da auch der Hemdenstoff, den wir dafür verwenden, von türkischen Produzenten stammt.

»Allein mit dem Argument „Bio“ holt man heute keinen mehr vor dem Ofen hervor«

A / Die Produkte und die Verpackung sind das eine, eine gute Promo eine ganz andere Geschichte. Aus meiner bisherigen Erfahrung scheitern hier sehr viele Modelabels gerade aus dem Grünen Bereich daran, sich und die tollen Produkte ansprechend zu vermarkten. Ihr seid da mit eurem Foto-Shooting einen anderen Weg gegangen …

T / Absolut, denn mit VATTER wollen wir nicht den „Hardcore-Öko“ ansprechen, dem das Design egal ist, sondern Hauptsache 100 Prozent Bio. Diese Art Unterwäsche gibt es ja schon.
Unserer Zielgruppe ist nachhaltiger Konsum schon sehr wichtig und sie sind auch bereit für solche Produkte mehr Geld auszugeben. Aber das Produkt muss sie auch optisch ansprechen, denn letztendlich kaufen sie die Unterhosen hauptsächlich, weil sie ihnen gefallen. Allein mit dem Argument „Bio“ holt man ehrlich gesagt heute auch keinen mehr vor dem Ofen hervor. Die Zeiten sind inzwischen auch in der Textilbranche vorbei.

A / Als nicht nur Nische, sondern auch breite Masse?

T / Ja – und das wollen wir auch durch unsere Image-Bilder zum Ausdruck bringen, die (unserer Meinung nach) für ein grünes Label doch etwas ungewöhnlich sind. Hätten wir das klassische Öko-Image verkörpern wollen, hätten wir die die Bilder draußen in einem Kornfeld mit Sonnenuntergang und viel Weichzeichner geschossen (lacht)! Das „sexy“ bei Bio-Unterwäsche natürlich relativ ist, sollte einem natürlich auch klar sein. Gerade was Unterwäsche für Frauen betrifft, werden wir auf Grund der strengen GOTS-Kriterien nie in Konkurrenz zu „La Perla“, „Passionata“ und Co. treten können. Wollen wir aber auch gar nicht. Wir versuchen im Rahmen der Möglichkeiten einer nachhaltigen Produktion das Maximale raus zu holen.

A / Danke, Tom, für deine Zeit und viel Erfolg mit VATTER!

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